Wenn ich mich ärgere, versuche ich nicht gleich zu reagieren. Ich schlafe drüber, warte ab. Ich versuche, hier was richtiger zu machen. Richtiger als sonst und richtiger als die anderen. Ich versuche, mich erwachsener zu verhalten. In Wahrheit gehört es natürlich zur Konfliktvermeidung. Und noch mehr, zu vermeiden, dass ich mich hinterher schäme. Aus der Rolle zu fallen ist nichts mehr für mich. Das muss ja auch nicht mehr sein. Das Gefühl danach, manchmal jahrelang danach, kennt man schließlich schon.
Andererseits hat es was von Totsein. Dieses unbedingte Vermeiden von vermeidbarer Angreifbarkeit.
Einfach mal wieder was Peinliches machen und Scheiß drauf! Nicht gemeint ist Verletzen und scheiß drauf. Was auch ein Ding von sogenanntem Erwachsensein ist. Umso älter man ist, um so mehr will man auch, dass es einem egal ist, was andere über einen denken. Mir fällt auf, dass manche Leute versuchen, Angreifbarkeit damit zu vermeiden, indem man `Arschloch sein und scheiß drauf`` übt.
Wahrscheinlich geht es gar nicht darum, wieder mehr Peinlichkeit zu spüren. Damit kann ich genauso wenig umgehen wie vor 20 Jahren. Es geht vielmehr darum, das unbedingte, beinahe dogmatische Vermeiden zu lockern. Man ist eben angreifbar, wenn man nahbar, wenn man sichtbar ist. Und dann sind auch die Unvollkommenheiten sichtbar, also die Charakterzüge und damit verbundenen "Ausbrüche" und Aussprüche, die man nicht an sich mag.